Oberösterreichische Kunstliebhaberei

Bundesländerbericht 2013
gift-Zeitung
01.12.2013 (All day)

Unter anderem ist in der gift, der bundesweiten Zeitung der IGFT, als Bundesländerbericht für 2013 dieser Artikel erschienen: Große, mittlere und vermischte Bühnen ... die oberösterreichische Theaterlandschaft ist zwischen Institutionen und freien Produktionsbedingungen strukturell weit aufgespannt – mit viel Raum dazwischen. Darüber, am großen Bühnenzukunftshimmel, schweben mehrere Budgetlöcher, die sich immer weiter aufzutun scheinen.

Oberösterreich war im hochoffiziellen Theaterjahr 2013 geprägt von der Eröffnung des Musiktheaters. Der vom Land Oberösterreich gepushte „Hochkulturtanker“ hat als Teil der OÖ Theater und Orchester GmbH Fahrt aufgenommen und zumindest einem anderen hochsubventionierten Bereich, der LIVA (der stadteigenen VeranstaltungsgesmbH) Konkurrenz gemacht: Zwar wurde das Budget fürs Brucknerfest heuer aufgestockt, dennoch klagt man bei der LIVA und ihren Veranstaltungshäusern aktuell über Einnahme-Einbußen. Weitere Entwicklungen sind offen … und natürlich will man sich in diesem Bereich nicht als Konkurrenz verstanden wissen.

Monetär wesentlich weiter unten angesiedelt sind zwei Häuser, die vonseiten der öffentlichen Hand gerne der freien Szene zugerechnet werden, bei denen es sich aber streng genommen um mittlere Bühnen handelt. Vom Theater Phönix gibt es zu berichten, dass auf nationaler Ebene ein Zusammenschluss mehrer Bühnen erfolgt ist, um vor allem die Gastspieltätigkeit der beteiligten Häuser zu erhöhen. Vom Theater des Kindes gibt es, beinahe schon wie gewohnt, nur Positives zu vermelden: Man zeigt sich, bis auf das Argument der ausstehenden Inflationsanpassung, zufrieden mit Auftrag, Geldgebern, Ausrichtung und Auslastung des Hauses.

Budgetär noch einige Stufen darunter sind Vereine angesiedelt, die sich, relativ neu, vermischten Agenden der freien Szene verschrieben haben. Die »Tribüne Linz«, personell direkt aus der bühne04 entstanden, hat den alten Landestheater-Standort Eisenhand übernommen und plant dort mindestens vier Eigenproduktionen im Jahr. Daneben wird man ein vermischtes Programm versuchen, das sich aus Gastspielen aus allen Sparten, für alle Generationen definiert. Die Tanzvernetzungsstelle RedSapata hat neben ihrem Proberaumbetrieb einen starken Fokus auf Kurstätigkeiten aufgebaut und befindet sich aktuell in der Fragestellung nach einer „langfristig richtigen Entwicklung“. Einige Menschen aus diesem Umfeld haben heuer ein kleines Tanzfestival initiiert, das Tanzschaffende mit Linzbezug aufsammelte.

Als ambivalenter Erfolg ist zu verbuchen, dass es das ohne fixe Spielstätte und in einem erweiterten Theaterverständnis agierende theaternyx* nach Jahren professioneller Arbeit zu einer Dreijahresförderung der Stadt Linz gebracht hat; diese ist so niedrig, dass eigentlich wieder nur ein Projekt pro Jahr realistisch erscheint. theaternyx* hat etwa heuer im Rahmen des internationalen Theaterfestival Schäxpir ein prototypisches Kooperationsprojekt auf die Beine gestellt, das in Linz, Wien und Graz erarbeitet und gezeigt wurde. Von der gesicherten Positionierung von Schäxpir hat auch der Verein silk profitiert, der ebenfalls in diesem Rahmen ein Stück produzieren konnte. Der Verein brandjung, der projektbezogen und spartenübergreifend agiert, hat ein Bühnenprojekt im Rahmen der Tanztage des Posthof realisiert, das vom Theater Phönix wieder aufgenommen wurde – eine erfreuliche Entwicklung im Tanzbereich. Darüberhinaus wurden körper- und tanzbezogene Kunstprojekte auf dem Medienkulturschiff der Stadtwerkstatt und im, dem Bereich der erweiterten Kunst zuzuordnenden, Kunstraum Goethestraße xtd umgesetzt.

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Nach diesem Überblick lassen sich zwei Dinge feststellen: Zum einen befinden sich die frei produzierenden darstellenden KünstlerInnen in Linz und Oberösterreich budgetär, infrastrukturell und von ihren Arbeitssituationen her in einem dermaßen prekären Bereich, dass z.B. seitens des BMUKK im Zusammenhang mit Förderabrechnungen und im Vergleich mit KollegInnen aus anderen Bundesländern bisweilen der Satz fällt: »Das ist ja, finanziell gesehen, Liebhaberei.« Erfahren die zuständigen BeamtInnen und politischen Entscheidungsträger bei Stadt und Land von den konkreten Arbeitsumständen der künstlerischen Produktion, macht sich stumme Betroffenheit breit. Zum anderen fehlt es aber nicht an spartenübergreifenden, innovativen und künstlerisch eigenständigen Projekten; Kooperationen in der freien Szene werden (auch über den darstellenden Bereich hinaus) gerne und aktiv vorangetrieben; Publikum ist vorhanden.

Auf diese offensichtliche Diskrepanz wird unterschiedlich reagiert. Das aktuelle Schlagwort scheint »Kooperationen« zu sein. Die Stadt Linz hat im neuen Kulturentwicklungsplan die Ernennung von Ansprechpersonen innerhalb der städtischen Kunst- und Kulturinstitutionen vorgesehen, die die Zusammenarbeit mit der freien Szene moderieren sollen. Zum einen ist aber noch unklar, mit welchen Kompetenzen und Budgets diese Personen ausgestattet werden; zum anderen sind große Teile der städtischen Kulturveranstalter als eigenständige GmbHs organisiert, denen das Kulturamt diesbezüglich eigentlich keine Vorgaben machen kann. Die Kulturschaffenden verlangen ihrerseits auch vom Land Oberösterreich eine verstärkte Beteiligung der Freien Szene an den etablierten Häusern (etwa: ein Kontingent von freien Produktionen pro Jahr im Musiktheater), wollen dabei aber nicht einfach „eingebunden“ werden, sondern die Eigenständigkeit der künstlerischen Arbeit gewahrt wissen. Auch die offene Frage, ob es innerhalb der Szene neue Synergien und alternative Finanzierungsmodelle geben kann, wird gestellt – zumal manchen Vereinen, wie etwa dem Musentempel, von Stadt und Land schon dringend angeraten wird, sich nach „Sponsoren aus der Wirtschaft“ umzusehen, während zurzeit ohnehin über allem „die Krise“ schwebt. Dahinter steht die größere Frage, wie die Heterogenität und Prekarität der Player der Freien Szene so überwunden werden könnten, dass sich gemeinsames Lobbying und stärkere Kooperationen forcieren lassen.

Während aus dem BMUKK bisweilen Signale in die Bundesländer ausgehen, dass man die Förderung von Projekten außerhalb Wiens selbst als notwendig und vorrangig ansieht, hat das Land Oberösterreich im freien darstellenden Bereich in vielen Fällen die Förderungen an das niedrigere Niveau der Stadt Linz nach unten angeglichen. Hinsichtlich des föderalen Systems aufeinander aufbauender Förderbescheide (Stadt > Land > Bund) eine katastrophale Entwicklung. Beim Land fehlen darüber hinaus auch längerfristige Fördermodelle, die den Kunstschaffenden jenseits einzelner Projekte planvolles Arbeiten und Koproduzieren ermöglichen.

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In diesem Zusammenhang muss einmal mehr gesagt werden: Die professionellen AkteurInnen werden von den lokalen Fördergebern finanziell gesehen auf einem ständigen Projekt-Anfängerlevel gehalten. Sie haben zu wenig, um professionell arbeiten und von ihrer Arbeit leben zu können. Not macht zwar erfinderisch – heißt es – ist aber auf lange Sicht sicher kein Lebenselixier und kaum ein Garant für eine lebendige Szene auf künstlerisch hohem Niveau; geschweige denn, was Werbung, Marketing und Vermittlung betrifft. Denn: Neben den großen Veranstaltungshäusern sieht es in Oberösterreich tatsächlich schon relativ dünn mit den tatsächlich frei arbeitenden (und nicht nur nebenerwerbstätigen oder in einer Lebensphase aktiven) darstellenden ProtagonistInnen aus. Daher ist es dringend notwendig, seitens der Stadt Linz und des Landes Oberösterreich die Fördermittel speziell für Kunstschaffende, die entsprechend ihrer langjährigen künstlerischen Tätigkeit und tatsächlich laut ihrer offiziellen Berufs- und Versicherungsdefinition als freie Kunstschaffende gemeldet sind, zu erhöhen. Der Bund würde dann mitziehen können, so einfach wäre das.

 

Artikel von Tanja Brandmayr in Koop mit Claudia Seigmann, Mitarbeit: Markus Zett