Kulturfrauenballett, Teil 1

If I Were A Dancer, Then …
Kunstraum Goethestrasse xtd.
31.10.2013 - 18:00

Präsentation: 3. Oktober 2013, 20 Uhr, Ausstellungsdauer: 4.-31. Oktober, Di-Fr, 14-18 Uhr: Tanja Brandmayr und der Kunstraum Goethestraße xtd: Mit dem Projekt „If I Were A Dancer, Then …“ hat das neu ausgerufene Kulturfrauenballett einen lustvollen und spielerischen Vorschlag gemacht, einen paradoxen Schritt auf die Tanzfläche zu unternehmen – ganz im Sinne der gemeinsamen Suche nach etwas Neuem. Das Kulturfrauenballett versammelte eine Expertinnengruppe aus verschiedenen Feldern der zeitgenössischen Kunst und Kultur und arbeitete mit einer Verschiebung des ProfessionistInnen- und Kulturkonsum-Begriffs. Es behauptet eine besondere zeitgenössische Kulturkompetenz, die sich auf der Tanzfläche als neue Form manifestiert: Über eine Tätigkeit, die man normalerweise nicht direkt veräußert, kann Kommunikation auf direkterem Wege stattfinden. So steht als Aktivität des Kulturfrauenballetts das Betreten des neuen Terrains selbst – gedacht und gemacht als Fotosession und Tanzpraxis: Die Fotosession stellt die Frage „If I were A Dancer, Then I Would Be …“ der Tanzpraxis gegenüber, die konsequent schlussfolgert: „If I Were A Dancer, Then … I Would Dance“. Die Aktivitäten des Kulturfrauenballetts wurden durch Fotos und Video festgehalten.

Kunstraum: http://www.kunstraum.at/article.php?ordner_id=1&id=462&lang=de

Trailer zur Ausstellung: http://www.dorftv.at/videos/open-space/7943

Kurzversion des in der Präsentation gezeigten Videos: http://www.dorftv.at/videos/open-space/8144

 

Hier ein Interview:

 

Mit dem Projekt „If I Were A Dancer, Then …“ wurde das Kulturfrauenballett vom 04. – 31. Oktober 2013 im KunstRaum Goethestrasse präsentiert, in Form von Installation, Fotos und Video. Reinhard Winkler im Gespräch mit der Projektbetreiberin Tanja Brandmayr.

Mit dem neu ausgerufenen Kulturfrauenballett wurde ein Vorschlag gemacht, einen paradoxen Schritt auf die Tanzfläche zu unternehmen. Was war daran paradox, an diesem Schritt?

Die Idee von „If I Were A Dancer...“ war eingebettet in das Jahresthema des Kunstraums Goethestrasse, das da lautete: „Bevor wir scheitern, arbeiten wir doch zusammen“. Aber was tun wir, wenn wir Angst vor dem Scheitern haben – was versuchen wir dann gemeinsam? Etwas Neues, und was ist das dann?

So gesehen waren wir auf der Suche nach etwas Neuem und hatten den  Wunsch, etwas anderes und etwas anders zu machen. Nun weiß man ja nicht, was das Andere ist, weil es ja das Andere ist. Vielleicht sogar in einem philosophischen Sinn vom Anderen. Man kann es also nicht wie etwas Geplantes vollziehen: Wir machen jetzt das Andere. Stattdessen begibt man sich auf die Suche ins Unbekannte, unternimmt vielleicht sogar einen paradoxen Schritt ins Unbekannte, um wirklich auf etwas zu kommen.

Es war zwar klar, dass wir tanzen. Aber weil die Tänzerinnen keine professionellen Tänzerinnen sein sollten, sondern professionelle Kunst- und Kulturschaffende aus anderen Feldern, war der Ebenenwechsel der Profession das Paradoxe. Hier sollte das Kulturfrauenballett ausgerufen werden mit dem Projekt „If I were a dancer...“. Das ist natürlich Transformation, das war auch der paradoxe Schritt auf die Tanzfläche.

Das Tanzen ist also schon das andere?

Die Sehnsucht, das Bedürfnis etwas anders zu machen, kennt man ja von vielen Ebenen. Ökonomie, Ökologie etc. - überall heißt es: Wir müssen umdenken, etwas anders machen. Das Thema ist ja sehr präsent. Aber ja … hier war das Tanzen das Andere.

Kann man das auch als Sehnsucht sehen?

Ja, aber bitte ohne Wegflattern, weil: zur Sehnsucht gehört die Bruchlandung auch dazu. Beziehungsweise: Sehnsucht ist dabei sicher ein zentraler Begriff, denn „Tanzen“ ist ja auch ein klischeehafter Inbegriff der Freiheit. In der Profession bedeutet er aber vor allem Disziplin. Und das ist doch ein interessanter Gegensatz: zuerst die Freiheit, und dann die Disziplinierung. Diesen Spagat kennen wir doch, oder?

Im ersten Teil „If I Were A Dancer, then I would …“ ging es um einen Entwurf von sich selbst, um eine auf Foto festgehaltene spontane Möglichkeit. Im zweiten Teil, der Tanzpraxis, die über zwei Monate lief, ging es dann nicht nur mehr um die Idee, sondern darum, wirklich zu tanzen: „Teil 2: If I Were A Dancer, Then I would Dance“. Tja, das Tun bleibt nicht aus… Es war einerseits wichtig, durch die körperliche Arbeit auch eine andere Wahrnehmungsebene zu bekommen. Dann ging es um Reibungsflächen mit tatsächlichem, kurzem choreografischem Material.

Es gab also eine Entsprechung zwischen den beiden Teilen. Aber aus diesen zwei Positionen ergibt sich ein großer Zwischenraum, und der reicht vom Wunsch zum Scheitern bis hin zum Finden von etwas. Beim zweiten Teil muss man tanzen, und da kann sich natürlich auch eine Kluft auftun zwischen dem, was ich wollte und dem, was ich kann. Oder zwischen dem was ich glaubte, nicht zu können und es dann doch kann. Ein Welser Galerist hat dazu einmal etwas Treffendes gesagt: Im Sehnsuchtsfeld vom „wer-man-gern-sein-will“ ist man mit sich alleine, und wenn‘s dann ums Tun geht, ist man mit den anderen konfrontiert. … Womit wir wieder beim Thema Zusammenarbeiten wären … eine zentrales Thema unserer Zeit, Zusammenarbeiten aller Art. Aber was bedeutet das? Etwas Praktisches? Etwas Unpraktisches? Hoffnung? Enttäuschung? Reale Möglichkeit – und wie?

Es haben nur Frauen teilnehmen können, die im Kulturbetrieb arbeiten: „Kulturfrauen“.

Das ist die Behauptung: das Kulturfrauenballett. Die behauptete Zielgruppe waren die Kulturfrauen, die im Kulturbetrieb arbeiten, die aber keine professionellen Tänzerinnen sind. Wir hatten dieses „im Kulturbetrieb arbeiten“ auch zum Teil ausgeweitet auf Frauen, die in gewisser Weise „Kunst- und Kulturafficionadas“ sind – also Frauen, die leidenschaftliche „Konsumentinnen“ sind – als Teil der Produktionskette von Kunst- und Kultur. Wir hatten auch eine „verhinderte Künstlerin“, das habe ich aber erst im Laufe der Zeit entdeckt.

Aber, wieder zum Kern der Sache: Der Begriff, die Behauptung „Kulturfrauenballett“  ist ja eigentlich zu mir gekommen. Ich habe nach diesem Begriff auch nicht gesucht, ich hatte den plötzlich im Kopf. Die Absicht, anders zu arbeiten, war schon sehr in mir verankert. Ich hab ihn vorerst nicht näher verfolgt, er ist aber immer wieder in mir aufgetaucht. Zuletzt ist dann die Idee im Kunstraum Goethestrasse bestimmend geworden, in Gesprächen mit den Kulturfrauen und Leiterinnen des Kunstraumes, Susanne Blaimschein und Beate Rathmayr. Da wurde dann gemeinsam entwickelt.

Davor habe ich schon Bekannten davon erzählt, die gemeint haben, das müsse es unbedingt geben. Ich habe mit Sabine Funk, einer Architektin über einige Wochen ausgetestet, was das sein könnte, das Kulturfrauenballett. Was mir klar war: Es ging nicht um den Gestus, Laien oder Publikum auf die Bühne zu bringen. Im Gegenteil, denn zur Behauptung gehört mehr: die Erfahrung der Kulturfrauen, also ihr Wissen und Können in zeitgenössischer Kunst und Kultur, ihre intellektuelle und emotionale Expertinnenschaft auf eine andere Ebene zu transformieren. Normalerweise nicht körperlich-tänzerisch arbeitende Frauen in einer „transformierten“ Ästhetik zu erleben. Eine Behauptung, die skurril sein mag - dass die Zeitgenossenschaft sich anders transformieren kann als durch eine gelernte Profession.

Heißt: eine Journalistin, die selbst nicht tanzt, aber über Tanz schreiben kann, kommt, um endlich mal selbst zu tanzen?

Nein. Die Journalistin kommt als Person und ihre Profession ist ihr Hintergrund. Sie gibt mit ihrer Profession dem Kulturfrauenballett etwas, das ein Ballett normalerweise nicht bekommt. Das wird aber gar nicht thematisiert oder nur zufällig. Jede Teilnehmerin bringt etwas anderes ein, bzw. ist die Behauptung: dass etwas einfließt. Andererseits gewinnt die Person, die normalerweise ja nicht tanzt, durch den Tanz etwas Neues dazu. Es ist ein inszenierter Austausch von neuen Dingen, der aber nicht näher bestimmt ist, weil er eben nicht näher bestimmt werden soll. Er bleibt verborgen und soll auch verborgen bleiben – erst mal. Es ist in diesem Sinne auch ein Spagat zwischen einer Behauptung und etwas völlig diffus gelassenem. Behauptungen sind ja wichtig, auch in der Kunst- und Kulturproduktion. Die Behauptung ist Voraussetzung. Man muss ja schon andauernd etwas behaupten, am besten auch sich selbst.

Aber auch, wenn es nicht so dramatisch sein soll: Behauptungen definieren einen Rahmen und ein Wollen. Aber dann kommt hier einmal nichts: Außer ein Rahmen eines Projekts, das in einen Rahmen des Kunstraumes eingehängt wurde. Und man schaut.

Was heißt das Expertinnensein? Kannst Du die „Kulturfrauen“ näher definieren?

Wie gesagt, es geht mehr um eine Behauptung einer Zielgruppe. Nur Künstlerinnen, z.B. nur bildende Künstlerinnen oder Autorinnen, die die Kunstdisziplin wechseln, das wär fad.  Das wäre nur wieder eine „Begegnung“, von Tanz und Malerei zum Beispiel, eine vordefinierte Begegnung von etwas. Was Interdisziplinäres sozusagen. Hier ist das Interdisziplinäre aber nur reine Ironie.

Aber: Die Behauptung der Kulturfrauengruppe hat mich ehrlich gesagt selber beschäftigt in diesem Setting, es ist ja, wie gesagt, ein bewusster Schritt ins Undefinierte. Was also ist es? Nach ein paar Monaten dieses Projektabschlusses komme ich zu einem Gefühl, dass es für mich die ganz alte, aber zentrale Frage nach „Material“ war. Es ist eine diffuse Suche nach Material, nach etwas Verborgenem, das aber wirkt. Und ich denke, dass die Kulturfrauen das Material mitgebracht haben, die Kulturfrauen in ihrer Profession, in ihrem Wissen um die Aspekte von Freiheit und Disziplin, in ihrem Wissen um die Wichtigkeit von Behauptungen und einem „offen lassen“, das sich oft auch nicht eindeutig definiert.  Kunst und Kultur umfasst ja auch nichts eindeutiges, es beschreibt vielmehr eine bestimmte Konsistenz oder Nicht-Konsistenz im Dasein. Oft gibt’s ja auch die Eindeutigkeit im Tätigkeitsfeld ja gar nicht mehr, stattdessen eine Mannigfaltigkeit von Tätigkeiten und Identitäten in einer Person. Ein Mensch hat heutzutage ja mehrere Lebensläufe.  So haben wir eine Gruppe mit Merkmalen behauptet, auch wenn es nur eine Behauptung bleibt, die Merkmale oft verschwimmen und letzten Endes alles verborgen bleibt – außer in diesen unkommentierten Fotos und Tanzsequenzen. Ich meine jetzt, dass die Frage nach dem Material eine ganz zentrale war, in der künstlerischen Auseinandersetzung. Und letzten Endes ist es wohl auch ein vielleicht irres Projekt, das fast an der Grenze zur Verweigerung die Behauptung „Kulturfrauenballett“ zum Material macht.

Wie lernt man sich in einem neuen Raum unter dem Aspekt des Anderen kennen?

Es geht vor allem einmal nicht um Definitionen. Das wurde in der Gruppe nicht thematisiert: Wer bist du, oder was bist du? Man hat sich in einer Undefiniertheit getroffen. Niemand hat sich mit einer beruflichen Identität vorgestellt. Und es ist ja so, dass sich einige schon gekannt haben, zumindest vom Sehen, das lässt sich in der mittelgroßen Stadt ja gar nicht vermeiden. Aber andere wieder nicht. Und man hat gemeinsam sozusagen das Paradoxe, das Andere  getan. Natürlich kam es dann zu einem Kennenlernen, auch vor einem neuen Hintergrund. Jede war in dieser Neuheit die Umgebung der anderen.

Mit welchem Ziel wurde die Arbeit mit den Kulturfrauen schließlich begonnen? War für die Leute klar, dass und wie die Arbeit am Ende präsentiert wird?

Sicher war, dass wir keine „Aufführung“ machen würden, sondern eine andere Form der Inszenierung. Ich hatte schon ein klares Gefühl, und in den Besprechungen zu Beginn waren Videos und Fotos von Anfang an als Idee vorhanden. Andererseits haben wir die Präsentation unterschwellig mitlaufen lassen. Es gab kein Muss an Ergebnis: Wir wollten zwar ein Ergebnis, aber das Ergebnis musste nichts Bestimmtes sein … Kein Stress, das gemeinsame Arbeiten sollte offen und für die Teilnehmerinnen wie selbstverständlich sein. Dieses Format ist diffizil, das war mir klar, und es kann alles Mögliche passieren. Ich wollte vorerst einmal nur vermitteln, dass nichts Bestimmtes passieren muss.

Mit dem was ich bereit gestellt habe an Material, Büchern, Kurzvideos, „Historischem“, meine eigenes Wissen bei der Tanzpraxis, usw – das sollte Möglichkeiten aufmachen. Auch für mich. Um zu schauen, was sich in diesem Setting tut, mit dem, wie ich jetzt denke, Materialaspekt: Mein Material und die Kulturfrauen mit ihren verborgenen Professionalitäten aus anderen Bereichen, also dieses vielfältige Material, sind hier zusammengetroffen. Der Punkt ist die Selbstverständlichkeit. Zum Beispiel beim Fotografieren bzw. beim Fotografiert werden als Tänzerin: die Möglichkeit eines Momentes, in dem man sich fotografisch inszenieren kann, ohne dass Stress aufkommt.

Wie schafft man in einer Ausnahmesituation, in einer inszenierten Situation, Selbstverständlichkeit?

Ich glaube, die besten Sachen passieren, wenn kein Muss im Raum steht. Die ernsthafte Arbeit im Vorfeld jetzt mal vorausgesetzt, das ist klar. Aber die Kulturfrauen sind ja ohnehin an ernsthaftes Arbeiten gewohnt. Es ging also um den Freiheitsaspekt des Neuen. Und eben um ein Feld des Versuchs, bei dem, als methodisches Setting, zuerst kein Ergebnis gefordert wird. Ich glaube, dass einem etwas, sagen wir, erstmal egal sein kann, das hat etwas sehr Befreiendes. Methodisch funktioniert das übrigens beim Tanzen zwischendurch mal ganz gut mit dem Trick der Müdigkeit, das mach ich gerne mit meinen Leuten: „Versuch es mal so, als ob du müde wärst“. In der Müdigkeit macht man dann nur mehr das Notwendigste. Und dann fällt das Bemühen um das Großartige, das Alles-richtig-machen-Wollen etc. weg. Man muss von einer gewissen Intention und auch von einer gewissen Ökonomie in der Bewegung ausgehen. Wenn man‘s müde macht, weiß man, wo der Impuls herkommt, wo er hingeht, und wenn man das Warum und das Wie schließlich begriffen hat, dann kann man es größer machen und die Pose dazu nehmen. Falls man eine Pose will. So ungefähr war das im größeren Sinn auch gedacht – erst mal den permanenten Leistungsgedanken wegräumen.  Ein Sidestep: Müdigkeit in unserem Tun kennen wir doch auch alle. Und man kann dann das Signal geben: Es ist ok, so wie es ist. Das ist ein ganz wichtiges Signal: Es ist ok. Mach weiter.

Die Leute checken größtenteils eh selbst aus, ob‘s und wie weit es passt. Darüber wird geredet oder auch nicht, es geht bei der einen schneller, bei der anderen langsamer, die Leute sind ja sehr verschieden. Und das geht bis dahin, dass es auch mal nicht funktionieren kann. Ich hab aber natürlich das choreographische Material bewusst ausgewählt – und es hat funktioniert.

War das Material, die Bücher, die Filme, die die Leute vor dem Fotografieren angeschaut haben, eine Art Vorgabe, ein Ideal, dem man sich annähern sollte?

Das Material war als Anregung gedacht, als Angebot. Es ging nicht darum, Posen oder irgendwas sonst zu kopieren. Auch wenn die Frauen es teilweise zitiert haben. Es ging mehr darum herauszufinden: Was ist das eigene Interesse? Wie hängt das mit mir zusammen? Auch um für sich selbst ein Feld zu finden, wo man tänzerisch daheim sein könnte. Es war in jedem Fall offen angelegt. Es gab Frauen, die dieses Angebot etwa angenommen haben, indem sie sich ein Kleid als Ausgangspunkt nahmen, in den Büchern geblättert haben und sich dem Thema „Zweifel“ stellten. Ander haben ganz spontan agiert. Oder auch ein eigenes Thema eingebracht.

Es ging nicht um die Schlagworte „Lernen oder Vermitteln“. Es war aber wichtig, die Ebene mit der Tanztheorie/Geschichte hineinzubringen. Nicht lückenlos, nur ansatzweise und fragmentarisch.  Aber sich mit der Tanzhistorie, bzw. -theorie zumindest in Teilen auseinanderzusetzen, war wichtig um zu verhindern, dass es ein Verkleidungsspiel wird, oder ein Mitmach-Raum der „Selbstverwirklichung“ o.ä.

Die Beschäftigung mit der Tanzhistorie hat es also ernsthaft gemacht?

Damit wollte ich beim Fototermin einen Referenzrahmen setzen. In der Tanzpraxis war der Referenzrahmen dann kurzes choreographisches Material. Ich wollte nicht, dass wir uns treffen,  um irgendwas zu machen. Sonst wird’s wirklich unernst. Das hätte auch nicht zu den teilnehmenden Personen gepasst. Und ich glaube, gerade wegen dieser seriösen Auseinandersetzungsebenen war es dann letztendlich auch wirklich lustig.

Wie war dann das Verhältnis von Foto und Film in der Präsentation? Auf den Fotos ist ja auch jede Kulturfrau alleine zu sehen. Im Film sieht man dann auch Gruppen.

Im Prinzip ging es in der Präsentation genau darum, diesen kurzen momenthaften Augenblicks des Möglichkeitsgedankens „If I Were …“ einer Praxis des konkreten Tuns gegenüberzustellen, in all seiner Diskrepanz, in all seiner Offenheit, auch in allen Aspekten des Miteinanders … im Gegensatz eben zum Sehnsuchtsbild, das man alleine träumt.

So gesehen traf sich das auch in der Präsentation: Die Einzelfotos waren überlebensgroß, im Video, in dem die Frauen dann gemeinsam zu sehen waren, war alles wieder auf Normalmaß.

Ist es bei solchen Aufnahmen nicht immer gefährlich, jemanden blöd dastehen zu lassen?

Die Herausforderung war, durch die Selektion des Materials dem nahe zu kommen, was es war. Und auch wenn das vielleicht auf verschiedene Weise passieren hätte können, eines ist sicher: Es ist niemand zu irgendeinem Zeitpunkt blöd dagestanden.

Wo liegt nun die Kunst bei der Sache? Die Kulturfrauen, der Tanz, ist ja nicht die Kunst, will es ja auch nicht sein. Sind es die Fotos? Ist es der Film? Aber die dokumentieren ja letztlich nur?

Es war ein Kunstprojekt. Mit verschiedenen Medien und Sparten, die herangezogen wurden. Es geht um eine bestimmte Konstruktion von Gegebenheiten. Es war vielleicht ein offenes Spiel mit Material, das sich erst nach und nach zeigte. Aber jeder Part war dabei eine Inszenierung.

Ist die Idee des Kunstwerks bei diesem Projekt nicht auch ein Paradoxon?

Vielleicht, ja. Und das wär ja in diesem Gesamtzusammenhang gar nicht schlecht. Die Kunst liegt einerseits darin, mit diesen Zwischenräumen und Undefiniertheiten zu agieren. Die einzelnen Elemente wie Fotos und Film haben eine Auswahl und Bearbeitung erfahren, dass ich schon klar meine,  ihr Wert geht über eine Dokumentation hinaus. Ganz einfach, weil es einen bestimmten Rahmen gab – eine Behauptung, ein Zusammenwirken und letzten Endes auch in der Auswahl und Bearbeitung: wieder eine Inszenierung. Wir hatten allein beim Video Material von rund 17 Stunden. Claudia Dworschak und Beate Rathmayr, beides Künstlerinnen und auch im Ballett, haben zum Schluss abwechselnd gefilmt. Ich bin dann quasi am Computer wieder zur „Intendantin“ des Balletts geworden: da eine Auswahl für ein paar Minuten zu treffen und auch zu schauen, was will man denn jetzt mit dem Material genau?  In der Fülle des Filmmaterials war es schon sehr faszinierend zu beobachten, dass es zwar bei jeder Teilnehmerin um die Bearbeitung von gleichem Bewegungsmaterial geht, aber diese kleinen Abweichungen, die die Leute einbauten, das interessante sind. Die kleinen Abweichungen stellen dar: kleine Fehler bis hin zu alternativen Strategien zum Umgang mit Herausforderungen, oder schlichtweg Eigenheiten. Minimale Verschiedenheiten waren schön zu sehen und auch der Grundduktus der Bewegungen der einzelnen Frauen. So war jede in ihren kleinen Abweichungen  zu sehen. Das war in der Konzentriertheit der Leute wirklich wunderschön anzuschauen, ein Erlebnis. Professionell oder Nichtprofessionell. Die Frauen wissen ja von ihren normalen Berufen her, was konzentriertes Arbeiten ist. Und sie haben hier die Freiheit des, sagen wir, auch körperlich Neuen genossen. Und das zu erleben und zu sehen, das war schön. Das hat mich auch wirklich beeindruckt. Aber wie setze ich Ungenauigkeiten in welchem Rahmen? Ungenauigkeiten können sicher sehr auseinanderdriften, und es ging sicher nicht um den Aspekt des Beschönigens, sondern um den der Differenz. Die Ästhetik kam hier also von der Auswahl eines Mischverfahrens von genauer Setzung und Zufall. Beim Video hab ich dann eben nach mehrmaliger Sichtung vorausgewählt und dann mit Claudia Dworschak gemeinsam begonnen, sie hat es dann sozusagen fertiggemacht, und das sehr fein. Generell war die Zusammenarbeit im engeren Team sehr befruchtend. Die Fotos habe ich in Rücksprache mit Susanne Blaimschein und Beate Rathmayr ausgewählt. Jede Teilnehmerin hatte dann noch ein Einspruchsrecht. Aus dieser Auswahl habe ich dann letztendlich die finale Auswahl getroffen. Das Paradoxon, die Unschärfen, die Zwischenbereiche zu inszenieren, in gewisser Weise das Verborgene, die Behauptung – das ist das Material und die Kunst daran.

Professionell oder Nichtprofessionell: Wenn ich dich persönlich frage, was du bist, dann gibst du mir ja auch keine eindeutige Antwort. Du könntest sagen: Soziologin, Tänzerin, Dramaturgin, Autorin, etc. Du sagst aber auch gerne: Ich bin keine Tänzerin, etc. Und könnte ich das Projekt selbst nicht auch fragen, würde das Projekt selbst nicht auch sagen: Ich bin kein Tanzprojekt? Die tanzenden Frauen würden auf diese Frage sagen: Ich bin gar keine Tänzerin. Der Fotograf würde sagen: ich bin kein Künstler, ich bin Dienstleister. Usw.

Wir machen halt was anderes! Aber nochmal vielleicht: Das Projekt ist eine Art von Kunstwerk, das noch gar nicht klar definiert ist. Man kann ja nicht etwas Neues versuchen und gleichzeitig alles schon vorher definieren. Ich möchte meinen, dass Projektenwicklungen und -präsentationen dieser Art auch eine Spezialität des Kunstraums Goethestrasse sind, namentlich Susanne Blaimschein und Beate Rathmayr – und man kann das gar nicht genug schätzen. Bei dieser Kooperation mit dem Kunstraum war es ein Spiel mit der Frage: Was ist mein Material, was ist unser Material, was kann die Inszenierung von etwas Offenem sein? Es hat zwar eine klare Richtung gegeben, aber die war ausbalanciert in ihrer Undefiniertheit. Mit offenen Fragestellungen für die Zukunft. Die Frage: Was ist eigentlich das Kulturfrauenballett? die wird bleiben. Aber das ist gut.

Und zum Abschluss: Wieso Kulturfrauen und nicht Männer?

Da gibt’s im Projekt schon eine Art eines um die Kurve kommenden Feminismus. Das ist mir schon wichtig – aber auch nur in seiner austarierten Nichtbehauptung.

 

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