Innenraum Lavinia

Performative Textarbeit und Rauminstallation
Innenraum Tanja
11.05.2016 - 19:00 bis 10.06.2016 - 18:00

Innenraum Lavinia, Atelierhaus Salzamt, Mai/Juni 2016: Performance / Performative Textarbeit / Rauminstallation. In den frühen 1920er Jahren stellte die Hamburger Maskentänzerin Lavinia Schulz Ganzkörpermasken her, die heute dem Expressionismus zugerechnet werden. Präsentation des Projekts Innenraum Lavinia im Mai im Atelierhaus Salzamt, Eröffnung 11. Mai 2016.

In den frühen 1920er Jahren stellte die Hamburger Maskentänzerin Lavinia Schulz Ganzkörpermasken her, die heute dem Expressionismus zugerechnet werden. Diese Ganzkörpermasken wirken einerseits grotesk lebendig, andererseits sperrig und schwer. Erschütternd ist das wenige biographische Material, das über die früh zu Tode gekommene Lavinia Schulz und ihren Ehemann, der mit ihr gearbeitet hat, überliefert ist.

Tanja Brandmayr hat sich auf Spurensuche begeben und ist – sozusagen im Zeitsprung und in bildlicher Entsprechung zu einem rätselhaft gebliebenen Maskeninneren – in einen fremden inneren Raum geschlüpft: Entstanden ist eine Arbeit, die als realer Kellerraum in Hamburg definiert, mit Text, Referenzsystemen, Fotos und Videofragmenten zu einem textlich-performativen Innenraum wurde. Das Betreten eines fremden Innenraums meint hier ein „Hineingehen“ mit der eigenen Biographie in das Leben und Werk einer anderen und das quasi-literarische Schreiben in performativer, das heißt körperlich und räumlich situativer Überprüfung. Selbstredend tauchen damit biographische, künstlerische, theoretische und kunstgeschichtliche Widersprüchlichkeiten auf, die vielleicht in Entsprechung zum grotesk-expressiven Äußeren der Masken ein ebenso groteskes Sprechen eines Innenraums kreiert haben. Über diesen Prozess gibt der Text selbst Auskunft, der grundsätzlich als Narration des Unterfangens angelegt, zahlreiche Formalismen und Referenzen im Detail aufweist. Bei der Ausstellung im Salzamt ist der Text über Kopfhörer zu hören. Außerdem ist eine fragmentarische Raumsituation zu sehen, die einen Teil des Arbeitsraums vor Ort nachstellt.

 

Inszenierter Netzinnenraum: http://innenraumlavinia.at/

Dort ist der Text zu hören.

 

 

An dieser Stelle 

die schriftliche Textfassung

zu Innenraum Lavinia

 

 

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Innenraum Lavinia

Schneeraumkonfetti. Seelenbumbum

 

Kapitel ohne Zuordnung

+1+ Keller Schwert / +2+ Schnee Hunger Gewicht / +3+ Geld Material / +4+ Utopischer Körper Mutterdeformation / +5+ Freisetzung

 

Gleich das bei der Ankunft gestern. Ich versteh nicht, was der Kultursprech hier redet. Dann in einen norddeutschen Kellerraum hinuntersteigen und ihn zu meiner zukünftigen Arbeitsstation erklären. Jetzt das Wahnsinnstingeltangel, draußen der Sturm. Das hat mich sofort verrückt gemacht.

 

Dann sofort lesen in der Edda

Über das Schwert, das von selber kämpft

Wenn der klug ist, der es hat

So heißt es in den altnordischen Mythen

 

Ob der klug war, der das gelesen hat, weiß ich nicht

Kann wohl nicht sein

denn als der Klügere hat er sich abgearbeitet

Und war plötzlich faul und tot

 

 

Ich sitze inmitten meines Innenraums, den ich herstelle um mich darin einzunisten. Mein Vorhaben ist merkwürdig, eventuell. Lavinia Schulz, junge Maskentänzerin aus den 1920ern. Fast unbekannt. Noch unbekannter, noch jünger, ihr Mann Walter. Ich weiß nicht. Klebe mit Gaffatape meine Prioritätenliste auf einem Stadtplan zusammen, den ich am Nachmittag in einem Hotel geholt habe. Aus einem nicht näher erklärbaren und zusammengeflickten Ensemble an Gefühlslagen ist es ok, dass ich hier bin und bleibe. Vielleicht sogar wichtig. Lade meine Geräte auf, gehe zum Computer.

 

Ohne Netz

Keine symmetrische Anthropologie

Und auch nicht nachklicken können wegen jedem Scheiß

Oder dem Besenbinderhof

Stattdessen in einem tristen Keller sitzen – wirklich gute Idee

Vor dem Stadtplan sich ärgern wegen der eigenen persönlichen Asymmetrie

Des Offs, der Irrationalität oder der Nichtvorbereitung

tatsächlich aber jetzt nur einmal hinschauen auf die Karte

und den Besenbinderhof sehen. So!

Morgen dann das alles ansehen

Altes Curiohaus

 

Ich gehe aus. Und komme zurück. Es ist wieder stürmisch und dunkel. Habe nun den Zeitsprung angelegt, alle meine Vorhaben erledigt. Gesehen: Ganzkörpermasken des jungen Künstlerehepaares im Museum, ehemaliger Wohnort Besenbinderhof, Auftrittsort Curiohaus. Alles gut. Ich kann kurz nach Hause telefonieren, bin hier aber nicht im Netz, sage ich. Nur sonst überall so nah dran. Ich meine: So nah am Boden, so nah am Wetter, so nah an der ungesicherten Türe. Das weiß aber niemand. Zuhause glauben sie, ich wohne in einem Hotel. Den Wahnsinn verschweige ich. Es muss alles überlegt werden. Und es muss einen realen Plan geben, sonst wird das alles nichts. Ich sehe draußen plötzlich Menschen kommen, Füße im Kellerfensterausschnitt. Aber was tun mit denen. Jemand geht im Dunkeln auf und ab. Dann kommt noch wer dazu. Vor meinem Fenster. Ich beobachte das. Nachdenken darüber, was die machen und wollen. Das bringt nichts. Nacht.

 

In sich Gegensätze anlegen

Die Widersprüche kommen von allein

Wege finden oder auch nicht.

Gewicht/Gegengewicht

Schwere/Hunger

Kälte/Trash

(Saving)

 

Tage verbringen. Die Freisetzung der Lavinia – keine Ahnung wie das gehen soll. So bemerke ich durchs Kellerfenster schauend treibende Wolken weit weg am Himmel.

 

 

Viele Dinge repräsentieren einen Raum

der dunkle Raum, Innenraum

Was ist mein Material, die neue Frage

Gaffatape Schnee Computer Text

Mehl als Nahrungsmittel

Das mache ich zu meinen 1920er Jahren

Arrangiere meine Bücher am Boden

Lese im Lieblingsbuch der beiden

In der Edda

Nochmal vom Schwert, das von selber kämpft

Wenn der klug ist, der es hat

 

Das Material entzieht sich, der Innenraum wehrt sich, der Gegenstand verändert sich auf unerwartete Weise.

 

Viele Bücher sind da

Anreicherung

Dann sinken

Noch mal Tabula rasa

Dunkel

Selbstblockade als Mittel

Ich verweigere

klebe den Computer mit Gaffatape zu

klebe ganze Notizbücher mit Gaffa voll

statt sie zu beschreiben

um nichts Unzulässiges hinzuzufügen

mische diese Notizbücher unter die anderen

Lege meine Bücher nochmal neu auf

Erzeuge damit mein eigenes Kollektiv

Von innen und außen

Connecting. Es bleibt der Wunsch nach etwas Verbindlichem, Konsequentem. Ich sehe mir die Bilder der Masken an, bin beeindruckt von Materialität und Gewicht, der schreiend bunten Körperleinwand, die unglaublich aufwändige Verarbeitung aus schweren Materialien. Ich schaue in die Augen der monströsen Gebilde, die einzig ungestaltete Fläche, sehe körperliche Präsenz. Später heißt es irgendwo: Der Körper ist der Ursprung aller Utopie. Von ihm aus wird gedacht, fantasiert, geträumt. Und ich denke, er wird auch als erster in die Welt geworfen. Und mit ihm wird wohl auch als erstes explodiert.

 

Aber: Dann die Sache ohne Geld

Weil: Kunst muss schwer sein

Sich allem entziehen

Man spürt die bizarre Verachtung

im Krüppel- und Futurmutopia

 

So etwas wie der erbarmungslose Versuch

Der Wiederbelebung

In einen neuen Körper hineinschlüpfen wollen

Ganz andere Körper herstellen

Die merkwürdig zwischen Elend und Heiterkeit stehen

 

Vielleicht das Einatmen der Kriegsopfer

Vielleicht das Ausatmen neuer Menschen

daran arbeiten und tagtäglich arbeiten

und zwar ohne Geld

weil Kunst schwer sein muss

 

Also kein Geld nehmen wollen

Kein Schmiermittel für die Kunst

Sich ganz entziehen wollen

Rausnehmen aus dem Kerngeschäft der Händelswelt

Und nochmal radikaler

sich vielleicht auch des Körpers entledigen wollen

Kernschmelze in jeder Beziehung

Die plötzliche Freisetzung von Heart and Soul

 

Ich fresse Eindrücke von Rundum. Zum Beispiel zu Geld, Kunst und Psychiatrie. Was wiegt es, wenn Kunst so schwer sein muss, dass man am Ende verhungert oder verrückt wird? Wenn das nur schwer zu beantworten ist, ist es vielleicht eine Frage von Gegengewicht, das fehlt. Ich streue Mehl aus, Partikelchen flirren herum, legen sich leicht, dann schwer übereinander. Auf mich. Auf meine Bücher. Ich lasse Bücher von weit oben in die Mehlflächen fallen. Jedes Buch entwickelt Staubwolken.

 

Der Kellerraum

ist voll mit Fiktion

Der Müllraum der Abgründe

Und der Kultur des Innenlebens

Das immer viel Staub aufwirbelt

Den utopischen Körper zum Beispiel

Die Ergänzung zur Psychiatrie

Vielleicht mehr Foucault als Futur

Bertchen,Toboggan, Skirnir, Springvieh

So heißen sie

 

 

Im Keller sitzen, Nachtgeräusche machen wieder energische Schritte draußen, es ist aber nur der Wind oder Dinge am Trottoir oder was weiß ich. Dann laufen plötzlich Masken durch. Ich habe hier im Keller eine Hängematte aufgehängt und sehe durchs Fenster bizarre Gebilde: in einem projizierten Blick, und nicht nur das, ich projiziere tatsächlich einige Bilder dieser Masken aufs Trottoir.

Die Kellerwohnung schaukelt, Hängemattenleben, es ist dunkel, wenig vorhanden, aber doch elektrischer Strom, wieder Schritte draußen, die keine sind. Ich projiziere Bilder an die Decke, an die Wände und auf den Boden, steige dann aus meiner Hängematte. Ich klebe mit Gaffatape die Körpersilhouette einer der Masken meines vielleicht wahnsinnigen Lieblings ab. Lavinia. Sie wollte kein Geld nehmen. Für ihre Auftritte. Weil Kunst ihrer Ansicht nach schwer sein sollte. In ihrer Kellerwohnung. Nächtens in Hängematten geschlafen. Mit ihrem Mann Walter hat sie wie besessen gearbeitet. Hat ihn als faul bezeichnet, am Ende. Wahrscheinlich aus Hunger, vielleicht auch aus Wahnsinn, hat sie ihren Mann erschossen. Und daraufhin die Waffe gegen sich selbst gerichtet. Ihr etwa einjähriger Sohn blieb unversehrt.

 

Ich beschließe, am nächsten Tag diese abgeklebte Silhouette, die nun am Boden entstanden ist mit Mehl zu bestreuen. Der verhungerten Existenz Nahrung einzuhauchen. Während das Mehl durch den Raum stobt, werfe ich Bilder der Masken auf diese diffuse Wolkengestalt aus Mehl. Ich streiche über einen Buchdeckel. Am Klappentext steht, über die Macht der Psychiatrie: „Man kann also sagen, daß die Macht der Psychiatrie die Funktion hat, den Wahnsinn in einer Institution zu verwirklichen, deren Disziplin gerade den Zweck hat, jegliche Gewalt, alle Krisen und, im Extremfall, alle Symptome auszumerzen.“ Ich fasse es nicht und lasse es fallen. Es stobt. Dann das Witzbuch Geld: „Wenn zwei Künstler miteinander reden, dann sprechen sie über Geld. Wenn zwei Banker miteinander reden, dann sprechen sie über Kunst“. Auch das fallengelassen. Die Staubwolken verbinden sich.

 

Am Boden weiß

Vielleicht Staub

Vielleicht Asche

Vielleicht Schnee

Vielleicht Nahrung

Vielleicht was anderes

Das Heruntergefallene

Kalte

Abgesetzte

Zermahlene

Hier ist alles voll

Hier ist alles schwer

Zur Ruhe gekommen

Im Innenraum

Nach dem Futurumbumbum

Wieder einmal

 

Leerstellen erzeugen. Gedanken ausräumen. Neue Innenraumgestaltung. Über nichts sprechen wollen, was nicht gefallen ist.

Aber. Dass sie in dieser Eindeutigkeit dem Expressionismus zuzurechnen sind, bezweifle ich. Das Dada-Surreale. Sturmbühne in Zürich. Schon. Die eigene Zurechnung zum Norden. Das Lesen in der Edda als kalte Zuflucht. Aber. Der frühe Tod als einzig wirklich Groteskes: Mit diesem größtmöglichem Unsinn aus dem Zusammenhang gefallen sein.

 

Alles neu alles ablehnen

Kriegstreiben

Neue Zeit

Neue Form

Invaliden

Rot blau Material

Körperleinwand

It could be different

Stofffetzen keine Sätze

It could be you

If I were

 

Die Dinge arbeiten von selbst in meinem Raumkonstrukt. Merkwürdiges Objekt Maskeninnenraum. Ich merke, dass ich dafür sorgen muss, dass was passiert. Sonst passiert nämlich nichts. Ich spüre jede Konsequenz am Ende: in Richtung weggeschwemmtes Leben. Rettungsanker Arbeit. Ich stürze mich in Arbeitswut. Merke, dass ich mich umso mehr rechtfertigen will, je prekärer ich mich fühle. Ich bewege mich durch den Raum, setze körperliche Impulse. Bewege mich für mich und meinen Innenraum, vor mehliger Kraterlandschaft, geklebten Figuren, verklebten Computern, einem Stillleben aus Büchern und projizierten Bildern. Lege noch ein wenig Ritual drauf, bilde Körperachsen, atme. Die Bilder werden auf Mehlwolken projiziert zu Hologrammen im Raum. Noch ein wenig mehr. Werfe alles an und in den Raum, was ich habe. Immer wieder werfen. Das ist alles ein wenig Nightmare, aber reale Gefühlslage, merkwürdige Erkenntnis. Diese Tondocs, die ich zudem aufgenommen habe, belasten mich außerdem. Dieses ganze Material, das ich ansammle, belastet mich. Kunst muss schwer sein. Schwere. Es ist alles eine Frage von Gewicht und Gegengewicht, denke ich, und was davon man aushält. Ich denke an die Freisetzung des Elends. Steige irgendwo drüber. So gehe ich durch den Innenraum und schreite das Innenraumbumbum wie eine Riesin des Nordens ab.

Ob das was bringt? Ich hänge an zwei Seilen der Hängematte. Das Bodenlose macht es noch schwerer.

Und nebenbei

Draußen ist es eisig

Drum schauen auch alle nur mehr mit den Augen raus

Die ausgetriebenen Psychen

inmitten des neuen Maschinenzeitalters

 

Ich hänge mich verkehrt an die Decke. Lege das Schneegestöber des Nordens drüber. Der Innenraum als Seelenschneeraum und Konfettibumbum.

 

 

 

Dann innerhalb des Arbeitsvorhabens auf den einzigen Rettungsanker warten, die Inspiration.

 

Warten auf die Inspiration

Wie auf das Hereinströmen des Mondlichts

Im Kellerloch warten

Auf das, was den Unterschied macht

 

Immer noch pfeift der Wind draußen

Wieder aus dem Fenster sehen

Und etwas nicht aus den Augen lassen

Das wie ein Nachtvogel aussieht

Und einen plötzlich anglotzt mit Maskenaugen

 

Später mein eigentliches Arbeitsvorhaben dann nochmal aktiv angehen wollen

Das sich aber der Umsetzung entzieht, gut so

Deshalb gleich frühmorgens das Museum anlaufen, so wie gestern

Und wieder was finden, wieder eine Idee

 

Aber sich gegen die Ideenlandschaft wehren

Gegen den Hungergeist

Dafür wieder Gegensätze anlegen

Neue Gegensätze, weitere Gegensätze

 

Ich denke plötzlich: Vernetzung.

Wenigstens habe ich mich nicht mit anderen Künstlern und Künstlerinnen vernetzt. Das ist ja überhaupt das Allerarmseligste. Das Allerletzte.

 

Stattdessen wieder mal herumspazieren

In der Landschaft

Dann ganz was anderes

einen Anruf von der heimatlichen Landesregierung erhalten

Wieder ein anderes Projekt

Im Büro bei Herrn Deutschbauer zurückrufen müssen

Der aber jetzt noch nicht da ist

es später nochmal versuchen

Ich notiere einstweilen alle relevanten Namen

Damit ich in der menschenleeren Billwerder Bucht, in der ich grade bin

Beim neuerlichen Rückruf alle Personen parat habe

Personen, die plötzlich in meinem Kopf wie ein Ensemble an Ganzkörpermasken dastehen

 

Dann komme ich nach Hause. Mache Musik an. Ich drehe die Pläne kreuz und quer.

 

Dem allem und der Sprachgegenwehr

Dem allem die Sprache zurückgeben

Die selbsttätige Sprache

Alles selbsttätig entfesselt

Entfesselte Innenräume

Die Entfesselung austreiben

Statt Expressionismus expressive Austreibung

Wo das alles hingehen soll wenn es ausgetrieben wird

Eine Sprache von der man nicht weiß wo sie herkommt

Und dennoch passt in ein Eintreiben

Wird ausgetrieben

Und dann umso mehr ein expressives Hineintreiben ins Innere

In den Innenraumkörper

Mitten in die Invalidenkörper und die Kriegsweltgeisterversammlung

Die bizarre Maske gegen die zufriedene Erstarrung

Dumm befohlen

 

So erzeugt der tote Naturalismus

Ein totes Werk

Und die Gegenwehr des paradoxen Lebenszeichens

Im überhitzten Gesamtkörper

Den Krieg

Abgesang Abtanz

Freisetzung

 

Damit hat Dada Nietzsche gelesen: Man darf so weitläufig spazieren. In der kollektiven nervösen Depression mit dem Gasherz denken. Aufgemalt. Abgehaust alle. Nicht verdienen, sondern bezahlen.

 

In der Gleichwertigkeit der Materialfrage

Werden die Dinge nicht mehr zur rechten Zeit

sondern alle immer gleichzeitig auf die Bühne geworfen

und dann ist es ein ständiges Herumgeschiebe

Wieder eine neue Wurfzeit

Ein Auftritt

Wieder eine Expression

Wieder alles auf einmal

Dann das schwer verständliche Abarbeiten

Eine andere Geschichte des Entdeckens

Im Innenraumleben

Ökonomien bauen Schulden auf

Versetztes Bezahlen

Schmiermittelgetränkt

 

Dass das Groteske die jungen Leute an die Hand genommen hat

Und deren stellvertreterische Selbste nach Innen gezogen sind

Mit den anderen stellvertreterischen Vielen draußen

Bis sie am Ende

und in der natürlichen Logik ihrer Konsequenz

tot waren

Und innen zurückbleiben im Schweben

Im konstanten Luftraum der Selbstaufhebung

Im Luftzug

Das ist mitbewohnt

 

Wer sagt, dass, wenn ein Mensch Polen verkörpern kann, nicht dreißig kluge Schwerter einen Menschen darstellen können – oder ein Schneegestöber, oder eine andere Zeit. Wer sagt, dass nicht viele einen Innenraum bewohnen können, ein Kollektiv der Freisetzung bilden. Es geht um Erneuerung, in diesem Arrangement der Selbstaufhebung und der Leerstellen.

Groß stehen. Schultern zurückbekommen. Lassen wir es schneien. Inmitten dieses Stehens draufkommen, was mit dem Webspace passiert ist. Die plötzliche Frage: Wenn einem der Expressionismus ausgetrieben wird, wo gehen Kraft essen Seele dann hin

 

 

 

 

Seelengestöber

Schneeraumkonfetti

Innenraumfuturum / Seelenbumbum

(Dasselbe gilt für den Diskurs)

 

Der erste Atemzug ist der Expressionismus. Mit dem ersten Ausatmen werden die Dinge auf die Bühne geworfen. Es ist die geburtlich nasale Phase des ersten Ein- und Ausatmens. Die Urverbindung zur Welt wird hergestellt, Schockatmen, Schrei. Neue Welt. Und damit die erste Wegbahnung, die erste Anleitung. Barbarei. Hier wird Schwere mit Heftigkeit gefüllt. Das groteske Lachen. Ohne Arg. Schöpfen. Hitze. Stampfen. Wollen. Die Einspeisung des Natürlichen. Das große Fressen und Verschwenden. Angedrehte Gefühle, Taumel, Wahn, Aufbäumen, erklärter Kampf. Durchtoben der überkommenen Form, Kräfte ausschleudern in alle Richtungen, von Innen nach Außen, maschinell verrückt werden. Das Stampfen der Feste. Direkt danach Zehrung.

 

Ich sitze im Innenraum

Possen

Drama

Nachahmung

Biographie

Problematische Blickverschiebung

Kunstkörper Schmerzkörper

zu welchem Preis

Jung, prekär

Dada

freie Gespenster

 

Ich sehe ein Wesen, das nun doch sein Gesicht verdichten will, um zu einem Körper zu kommen. Wie kann ich die Gastgeberin einer fremden Seele sein. Ich bemerke, dass meine Gedanken in ein Inneres hineinfallen, sobald die Augen zu sind. Masken und Augenhautaußenexplosion als Gegenprogramm – ich verstehe!

Die zerschlissenen Geldhäute zwischen Leben und Kunst. Wozu überhaupt produzieren, wenn nicht für den unbekannten Norden oder das expandierende Universum.

 

Platz für uns selbst! Ohne zu verhungern

 

Platz für uns selbst! Ohne zu verhungern

 

Geld Macht Gravitation

 

Antimaterie

 

 

Und wenn die Schwere ein Gegengewicht braucht, dann verlangt das expandierende Universum kein Geld, sondern ein inneres dunkles Unbekanntes, das Raum für sich bleiben möchte.

 

Zuerst Schweben im Fruchtwasser

Damit noch Verbundenheit

Danach Nabelschnurdurch und Antiwelt

Ein einziger Angstschrei

Die nasale Phase

Moment der Nabelschnurtrennung

Die nasale Phase

hat Freud vergessen

Das ist jetzt so eine Theorie

Von der ersten und wichtigsten vergessenen Phase überhaupt

das erste Ein- und Ausatmen

nach dem Weltwurfunverbundenheitstheater

der erste Kontakt und Austausch zur Welt

Luft Schockatmen Schrei!

 

Stumm das alles denken. Höchst unruhig. Um die Gedanken nicht weiter zu forcieren, klebe ich mit Gaffatape kleinere und größerer Areale ab, bringe diverse Skizzen an den Wänden an. Klebe neue Bücher voll. Mache kurz auf reduziert: Weniger kann tatsächlich auch leer sein. Dann ein weiteres Ritual: Ich lege den Finger auf den Nabel und atme. Nasale Phase, Innenraumkontakt. Begebe mich gedanklich in die Maskeninnenräume, die mich zum freien Alien machen.

Im Körper wohnen. Den Körper wie eine Maske tragen. Die beiden Dinge nicht ganz deckungsgleich zusammenbringen. Sich stattdessen lieber zum ungeborenen Kind seiner Konzeption machen und den Innenraum betrachten. Dieser angerichtete Mess führt vielleicht zum Leben, vielleicht aber auch nicht.

 

 

Dann bist du selbst Mutter geworden / In deinem Futurumbumbum / In einer Höhle aus Fleischhautexpansion / Da sitzt ein ungeborenes Kind in dir / Wie in einer Ganzkörpermaske //

Hast dich selbst / Mit deiner Schwangerschaft / Zu deiner Kunst gemacht / Warst plötzlich selbst die Maske und nicht mehr der Innenraum / Das war zuviel Nicht-Deckungsgleiches / Zuviel Deformation / Du als Ganzkörpermaske / In der dein ungeborenes Kind hockt / Hast dann das irdische Kind bekommen /

Und das noch während der Inflation! /

 

 

 

Die Monstrosität dieses Gedankens wird Wirkung zeigen. Halbschlafthema, eine Stimme spricht zu mir. Das ist das Movens für tatsächliche Bewegung, die ich in einem inneren Bild ausführe:

Du hast dich im Werk dieser anderen eingenistet, fast wie dieses ungeborene Kind in seiner Mutter.

Und, weiter mit dem Hineingehen, die Bewegung setzt sich fort:

Gehen Sie in das Werk einer anderen hinein!

Das führt zum nächsten Move:

Schreiben Sie über dieses merkwürdige Einziehen, über diese merkwürdige Innenraumkrümmung und fügen sie eine weitere hinzu, ja!

Das Weitere ist so, als würde mit wenigen Bewegungsstrichen alles auf einmal gesagt:

Schreiben sie über diese irrwitzige Überwindung der Trennung von Kunst und Leben! Über diese merkwürdige Nabelschnur, die sie mit dem Werk dieser anderen verbindet!

Kopfüber denken:

Mit dem Leben ins Werk einer anderen gehen! Als Ganzes in das Werk einer anderen!

In kritischer Distanz:

Noch dazu dieses Hineingehen in eine Zeit vor ihnen, das ist ja ein guter Witz! Noch dazu als erwachsene Frau in eine junge Frau!

Plötzliche Freiheit:

Als Bewohnerin eines vermischten und hierarchielosen Seeleninnenraums, den Sie tatsächlich einrichten!

Selbsterkenntnis:

Durch Ihr brutales, aber ehrliches Hineingehen in ein fremdes Werk!

Und der höhnische Rest:

Auf dass sie von dieser Idee oder diesem Raum am Ende selbst geboren oder ausgetrieben werden, oder umgekehrt! Mal sehen, wie sie die Nabelschnur durchtrennen! Wie sie ihre von Ihnen erfundene nasale Phase erleben, ein guter Witz! Könnte sein, dass das Seelenbumbum unerträglich wird, stimmt! Sie machen es sich unnötig schwer.

Ja!

Sicher!

Innenraumkonfetti!

 

Stimme Ende. In diesem schweren Schweben betrachte ich mich später im Traum, wie ich im Raum Geldmünzen ausstreue. Ich wache dann auf und möchte dieser rätselhaften Kombination aus Not und Werk eine reale Basis geben. Ich gehe in der Nacht los, um in den Lokalen rundum Geld in kleine Münzen zu wechseln. Wieder zurück streue ich sie im Kellerzuhause inmitten der Bücher, des weißen Staubs, der Bilder, der abgeklebten Silhouetten, der Notizen aus. Der Raum ist voller Geld. Das kommt mir richtig und gut vor.

Der Morgen, an dem sich die Hängematte nicht bewegt. Ich sehe um mich, betrachte den Boden. Das Geld glänzt stumm vor sich hin. Der Heizstrahler surrt. Ich habe versucht, ihn in der Nacht auszuschalten, aber mit dem vielen Geld im Raum wird es so schnell kalt. Es muss warm sein. Die Kälte ist das Letzte. Liegenbleiben ist gleich erfrieren. Es gibt den Nordpol. Aufstehen ist aufspringen. Damit packe ich ein paar wenige Sachen zusammen, werde hektisch. Der Raum treibt mich aus. Ich will weg. Werde das alles so zurücklassen. Signiere an der Wand: Innenraum Lavinia. Schneeraumkonfetti, Seelenbumbum. Psychopompos. Ich entfliehe dem Keller.

Draußen: Aufatmen. Es kann nun dem äußeren und inneren Wüten die Sprache zurückgegeben werden. Die Unfreiwilligkeit kann benannt werden, als ein Gegengewicht mehr: Menschen sind gemacht durch Zufall, Etagen und Atmosphären. Klappenmasken. Wahr sind nur die Gedanken, die sich selber nicht verstehen.

 

 

 

Der Text ist zu hören auf: http://innenraumlavinia.at/

Ebenso dort zu finden: Alle Informationen, Verweise und Referenzen.

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