Angst ist Alltag für Roma in EUrope

kulturrisse-Artikel
kulturrisse Heft 04/13
30.11.2013 (All day)

Im Alten Rathaus in Linz wurde im Oktober Marika Schmiedts Ausstellung „Die Gedanken sind frei“ neuerlich eröffnet – unter Polizeischutz.

Marika Schmiedts Ausstellung „Die Gedanken sind frei“ wurde am 7. Oktober zum zweiten Mal in Linz eröffnet – von Kulturdirektor Julius Stieber, vom nunmehrigen Bürgermeister Klaus Luger und vom Europaabgeordneten Josef Weidenholzer. Eine Ausstellungseröffnung mit Vorgeschichte. Wenn sich nämlich Kulturdirektor Stieber in seiner Eröffnungsrede auf den künstlerischen Bezug John Heartfield beruft, Bürgermeister Luger sich klar gegen Rassismus und Ausgrenzung positioniert und EU-Abgeordneter Weidenholzer sich bei Marika Schmiedt persönlich für ihre Arbeit und ihren Mut bedankt, dann sind das Bekenntnisse, die im Namen von Demokratie, Gesellschaft und Freiheit der Kunst dringend notwendig geworden sind.

 

Die bizarre Vorgeschichte

Bereits im April diesen Jahres wurde die Ausstellung „Die Gedanken sind frei“ im öffentlichen Raum eröffnet. Gezeigt wurden etwa 30 Plakate zur Lage der Roma und Sinti in Europa, die Marika Schmiedt selbst als „Confrontagen“ bezeichnet – Plakate, die sich in ihrer Collagetechnik inhaltlich drastisch auf den bezeichnenden Untertitel der Ausstellung beziehen: „Angst ist Alltag für Roma in EUrope“. Veranstalter waren Stadtwerkstatt und Galerie Hofkabinett, sie hatten Marika Schmiedt eingeladen, ihre Arbeit im öffentlichen Raum, auf einem Baustellenzaun in der Altstadt, zu präsentieren. Die Ausstellung fand unter Einhaltung aller notwendigen Auflagen statt, zur Eröffnung sprach bereits damals Kulturdirektor Stieber, politische Prominenz war anwesend. Die Stimmung der gut besuchten Eröffnung ließ zumindest kurz einen Zwischenfall vergessen, der noch vor der Eröffnung passiert war: Eine Linzer Fremdenführerin ungarischer Herkunft riss ein Plakat herunter, auf dem sie ihre Nation beleidigt sah, um anschließend Marika Schmied ihr Handy aus der Hand zu schlagen, die diesen Übergriff dokumentieren wollte. Marika Schmiedt hatte deswegen bereits eine Vorahnung, dass diese Ausstellung im öffentlichen Raum „nicht lange hängen werde“.

 

Was dann passierte, und von wo der Wind wehte, war allerdings in vielerlei Hinsicht verstörend. Zwei Tage später waren die Plakate nämlich ganz verschwunden: Die Polizei hatte die komplette Ausstellung, die sich klar gegen Rassismus an Roma in ganz Europa wendete, abmontiert – wegen des Vorwurfs des Rassismus (!). Angeblich soll der Verfassungsschutz diese Bewertung vorgenommen haben. Angeblich wurden auch Marika Schmiedt und die Veranstalter informiert – wurden sie aber nicht. Sie waren im Gegenteil in den folgenden Wochen beschäftigt herauszufinden, von wem die Anzeige kam und mit welcher Begründung der Verfassungsschutz aktiv wurde; und damit, diesen unhaltbaren Rassismus-Vorwurf zurechtzurücken, der sich auch in einer unhaltbaren lokalen Medienberichterstattung spiegelte. Infolge hatte sich der damalige Parlamentsabgeordnete Karl Öllinger mit einer Anfrage an die Innenministerin eingeschaltet. Zudem gab es auch mehrere Artikel im Falter und im Standard, die begonnen hatten zu recherchieren und die die Faktenlage sehr schnell zu rechtsextremen ungarischen Netzwerken führte. Übrig blieb der mediale Grundtenor einer „verkehrten Welt“, Empörung – und das große Fragezeichen: „Rassisten sind Menschen, die sich gegen Rassismus einsetzen“.

 

Ungeklärte Fragen

Bis heute ist nicht ganz klar, woher die Anzeige kam, in der Antwort der Innenministerin war von einem Redakteur der Oberösterreichischen Nachrichten die Rede. Laut Recherchen des Falters bekannte sich aber aus der Redaktion niemand zur Anzeige. Unklar ist auch, inwieweit der Verfassungsschutz aktiv geworden war. Polizeibeamte hatten jedenfalls vor Ort und im Zusammenhang mit der „verstörenden“ (OÖN) Ausstellung eine „Güterabwägung“ vorgenommen – für die sich der Stadtpolizeikommandant dann letzten Endes notgedrungen entschuldigt hat. Der Forderung der Stadtwerkstatt nach einer Neuauflage der Ausstellung in der Landespolizeidirektion Linz wurde erwartungsgemäß nicht nachgekommen, im Oktober fand die Ausstellung, wie oben genannt, aber im Alten Rathaus statt: nicht ohne eine nationalistisch gesteuerte Flut an Beschwerden an die Stadt Linz, die bis hin zu massiven persönlichen Drohungen reichte, auszulösen – weswegen die Eröffnung unter Polizeischutz gestellt wurde.

 

In diesem Zusammenhang wurden an der Oberfläche sichtbar: die Wiener FPÖ-nahe Anwältin Eva Maria Barki, die die Ausstellung wegen „Völkerverhetzung“ und „Gefährdung des öffentlichen Friedens“ verhindern lassen wollte; der ungarische Botschafter Vince Szalay-Brobovniczky, der in der Ausstellung Ungarn- und Romafeindlichkeit (!) erkennen wollte; oder, zum Abschluss der Ausstellung am 20. Oktober, der regierungsnahe ungarische Fernsehsender HírTV. Dessen Beitrag quoll über von wirren Statements, die von Wursterzeugung handelten (eine „Halbmond-Türkensalami made in Austria“, als „Zitat“ eines Bildelements der Ausstellung), und reichte bis zu Verweisen auf Hitler, der „vom Balkon des Linzer Rathauses den Anschluss verkündete“.

 

Erschreckend bei der ganzen Sache ist der faschistoide Untergrund: Alles, was sich hier abspielt, kann wohl als Paradebeispiel dafür herhalten, wie die Mechanismen des Rechtsextremismus funktionieren: von einer aggressiven Opfer-Täter-Umkehrung bis hin zu den offensichtlich breit und unverfroren tätig gewordenen Netzwerken, für die die Freiheit der Kunst nicht mehr ist als gar nichts. Marika Schmiedt, die sich seit Jahren mit der fatalen Lage der Roma beschäftigt, hat sämtliche Dokumente auf ihren Blog gestellt.

 

marikaschmiedt.wordpress.com

 

Artikel von Tanja Brandmayr.